Motorradtour Schottland (1/4)

Scotland is calling - Der Charme Edinburghs und die ersten Kilometer

Endlich ist es so weit, meine lang ersehnte Motorradreise nach Schottland beginnt. In diesem ersten von vier Reiseberichten möchte ich von meiner Anreise mit der Fähre von Amsterdam nach Newcastle und den ersten Kilometern auf britischem Boden berichten. Außerdem erkunde ich zu Fuß die schottische Hauptstadt Edinburgh, tauche dann ein in das Abenteuer des Tourenfahrens und erkunde die ländlichen Regionen, bis zu meiner urigen Unterkunft in Ballater.

Mein Motorradabenteuer Schottland beginnt

Für die Anreise habe ich mich entschieden, die Fähre von IJmuiden bei Amsterdam nach Newcastle upon Tyne in England zu nehmen. Entspannt spule ich etwa 400 Kilometer Autobahn bis zum Fähranleger ab und träume schon von den kleinen und menschenleeren Straßen der Highlands.

Ich habe zwölf Tage für meine Motorradtour in Schottland eingeplant, inklusive der An- und Abreise mit der DFDS-Fähre von Amsterdam nach Newcastle. In Großbritannien werde ich dabei etwa 2.400 Kilometer zurücklegen. Den Großteil davon selbstverständlich in Schottland aber da Newcastle selbst in England liegt, lege ich eben auch einige Kilometer in England zurück.

Nach etwa 17 Stunden Überfahrt spuckt mich die Fähre wieder aus und ich darf die Einreiseprozedur am Zoll genießen –Brexit sei Dank. Die Zollbeamten sind zwar sehr nett und tiefergehend kontrolliert werden die Motorräder auch nicht aber da lediglich zwei Zollbeamte alle Fahrzeuge abfertigen dauert es halt eine ganze Weile. Immerhin regnet es nicht. Da man in einer langen Schlange im Freien wartet, wäre die Stimmung sicherlich sonst schnell im Keller und der Reisepass zu Pappmaché verquollen.

Die schwierigste Umstellung, wenn man Linksverkehr fahren soll? Für mich klar der Kreis- oder Stadtverkehr. Da trifft es sich gut, dass man hinter der Zollschranke erstmal sechs (!) Kreisverkehre passieren darf, bis man auf der Schnellstraße stadtauswärts fahren kann.

Bamburgh Castle

Damit mir die knappen 200 Kilometer nach Edinburgh nicht zu lang werden, schwinge ich mich zwischendurch über einige heckenumsäumte Landsträßchen nach Bamburgh Castle. Wer von euch die Netflix Serie „The last Kingdom“ kennt, wird diese Burg hier vielleicht unter dem Namen „Bebbanburg“ kennen. Das ist die Burg, die dort Uhtred von Bebbanburg gehört und die er versucht in der Serie zurückzuerobern.

Das Schloss hat auch in der Realität eine gewaltvolle Geschichte und war nahezu dauerhaft Kriegsschauplatz und Befestigungsanlage: Engländer, Wikinger und Schotten vergossen an diesem heute so beschaulichen Ort in vergangenen Jahrhunderten viel Blut. Die imposant an der Küste gelegene Anlage wurde erstmals im Jahr 547 erwähnt.

Wenig später rolle ich wieder auf der Schnellstraße über die schottische Grenze und bilde mir ein, dass die Landschaft abseits der Straße direkt etwas dramatischer und mystischer geworden ist.

Ankommen in Edinburgh

Nachdem in Edinburgh die Unterkunft bezogen ist, geht es noch in die kleine Stadt, die über der Stadt thront: Edinburgh Castle. Ich habe für den vorletzten Eintrittszeitslot Karten im Internet vorgebucht. Der Touristenmagnet ist daher schon schön leer. Die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Schottlands beheimatet unter anderem die schottischen Kronjuwelen, das National War Museum und den „Stone of Destiny“. Ein Besuch ist Pflicht wobei für mich die Lage und der Ausblick noch am beeindruckendsten an der Anlage sind.

Der Gastgeber an der Unterkunft, dem Ashgrove House, ist sehr um die Sicherheit unseres Motorrads besorgt, das auf dem Parkplatz vor dem Bed and Breakfast abgestellt ist. Für Motorräder hat er extra Metallanker in den Wänden verankert, an denen wir mit eigens dafür bereitgestellten Kettenschlössern die Motorräder zusätzlich anschließen sollten. Gerade die schottische Hauptstadt wird oft beschuldigt, dass hier gerne Motorräder gestohlen werden -besonders mit ausländischen Kennzeichen.

Dank weiser Voraussicht sind zwei Nächte gebucht und so ist noch ein ganzer Tag, um sich mehr aber bei weitem nicht alles von der Stadt anzuschauen. Einen großen Rundweg habe ich geplant und starte vor Edinburgh Castle. Statt in das Schloss schlenderte ich die Royal Mile abwärts mied sämtlichen Läden, die vermeintlich schottische Klassiker made in china feilboten. Die Royal Mile besteht eigentlich aus mehreren Straßen, die aber wie eine Straße wirkt. Wer vor dem Edinburgh Castle steht und immer bergab spaziert, bis er vor dem nächsten Schloss (Holyrood Palace) steht, ist goldrichtig. Im Zweifel ist es die Straße, auf der sich die meisten Touristen drängen. Wer das ausblenden kann und mag, kann sich an den zahlreichen gut erhalten historischen Bauwerken erfreuen. Im wahrsten Sinne herausragend ist sicher die St Giles’ Cathedral, die Hauptkirche der Church of Scotland. Das heutige vornehmlich gotische Gebäude entstand nach einem Brand 1385. Seit 1120 dürfte hier eine in ihrer Bedeutung vergleichbare Kathedrale gestanden haben.

Von der Royal Mile aus führen immer wieder kleinere Gassen, sogenannte Closes, ab. Es lohnt sich, hier und da einen Blick hineinzuwerfen, da sich liebevoll gestaltete Kleinode der Stille verbergen, wie zum Beispiel im Dunbar’s Close.

Am unteren Ende Edinburghs Zentralachse werfe ich einen Blick in das 2004 eröffnete schottische Parlament. Das kombiniere ich gleich mit einem Kaffee und einem großen Stück Karottenkuchen im Café im Inneren. Das moderne Gebäudeensemble sieht aus der Vogelperspektive nochmal deutlich spannender aus, als wenn man lediglich davorsteht. Der Architekt Enric Miralles verstarb leider schon im Jahr 2000 und konnte die Fertigstellung und Eröffnung nicht mehr miterleben.

Um mir die ganze Stadt fast aus der Vogelperspektive anschauen zu können, erklimme ich im Holyrood Park den Aussichtspunkt Arthur’s Seat. Der steile und schweißtreibende Aufstieg lohnt sich. Für ein besseres Panorama über die Stadt müsste man ein Fluggerät besteigen. Bis auf spärliche Gräser scheint die Vegetation hier nur aus Stechginster zu bestehen, der gerade jetzt in voller Blüte steht und halben Park in ein gelbes Blütenmeer verwandelt. Die Pflanze und ihr frühlingshafter Gelbton begleiten mich auf der gesamten Tour durch Schottland.

Nach dem Abstieg geht es noch schnellen Schrittes zum National Museum of Scotland, denn dieses schließt bald. Die kostenlose Ausstellung ist riesig und bietet eine Bandbreite, dass für jeden etwas dabei sein wird. Das Skelet eines Tyrannosaurus Rex nebst diverser weiterer lebensgroßer Tierplastiken, das ausgestopfte Klon-Schaf Dolly, eine Raumfahrtausstellung, das alte Ägypten, eine Ausstellung zur Mode im Verlauf der letzten Jahrzehnte, natürlich eine Ausstellung zur Geschichte Schottlands und vieles mehr. Ich hetze leider in einer Stunde etwas ziellos durch die Ausstellung aber hier könnte und sollte man spielend mehrere Stunden zubringen können.

Nah am Museum mache ich noch Greyfriars Bobby meine Aufwartung. Die Geschichte um Greyfriars Bobby ist zu rührend um komplett wahr zu sein: Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts hatte der Polizist John Gray einen Skye Terrier namens Bobby. Nach dem Tod des Polizisten und seiner Beisetzung auf dem Friedhof der Greyfriars Kirche, wachte der Hund bis zu seinem eigenen Tod am Grab seines Herrchens. Er unterbrach seine Wacht lediglich für die Mahlzeiten, die ihm die nahegelegene Gaststätte bereitete. Nach seinem Ableben wurde er heimlich bei seinem Herrchen beigesetzt.

Ab aufs Land

Weiter geht es auf dem Motorrad. Nächster Stopp ist das 67 Meter hohe Wallace Monument, welches seit 1869 auf einer Anhöhe bei Stirling thront. Es wurde errichtet im Gedenken an den schottischen Freiheitskämpfer William Wallace. Der wurde beispielsweise in dem Film Braveheart von Mel Gibson verkörpert, der die Besucherzahlen des Museums hier verdreifacht haben soll.

Hinter Stirling schrumpfen Fahrbahnbreite und Kurvenfrequenz auf der geplanten Route. Eine sonnendichte Wolkendecke hat sich am Himmel verankert, aber will glücklicherweise ihre Regenfracht nicht mit mir teilen.

Die malerische Edradour Destillerie habe ich als POI fest eingeplant. Anders als bei meinem letzten Besuch im Jahr 2018 ist sie leider nicht mehr für Besucher geöffnet und man kann sie nur noch vom Werkstor aus bewundern. Mit den weiß verputzten Wänden, den roten Türen und Fensterläden und dem namensgebenden Edradour Burn, der zaghaft durch das Gelände rieselt, dürfte sie Destille dennoch zu den hübschesten in Schottland zählen.

Wenig später rückte ich mich selbst gerade für ein Foto in Pose auf einer dieser urigen alten Steinbrücken, als einige Meter weiter ein Auto hielt. Ich dachte schon, ich würde hier einem Farmer die Zufahrt zu seiner Weide o. ä. blockieren und stellte mich innerlich darauf ein, mich zu entschuldigen und die Brücke zu räumen. „Ah, ich hätte wetten können, dass ihr aus Deutschland seid!“ begrüßte mich der bestimmt 70-jährige Herr in gutem Deutsch mit kantigem aber warmen schottischen Akzent. Als junger Mann, sei er in Deutschland stationiert gewesen, er habe Freude bei Nienburg, war früher öfter dort und spreche daher etwas deutsch (eine Untertreibung). Wir schnacken einige Minuten. Als er fährt, hinterlässt er mich einmal mehr begeistert von der schottischen Offenheit und Freundlichkeit.

Weiter geht es auf einer echte Panaromastraße, der A93, durch den Cairngorm National Park und über den gleichnamigen 670 Meter hohen Pass. Klingt von der Höhe wenig spektakulär, aber tatsächlich steht auf der Passhöhe sogar ein Skilift. Ich mache einen Stopp am Aussichtspunkt Devil’s Elbow und genieße den weiten, menschenleeren Ausblick. Lediglich eine kleine Hirschherde zieht in einiger Entfernung durch die baumlose Steppe, die schon einen Vorgeschmack gibt auf die Highlands.

Der Aussichtspunkt Devil’s Elbow geht zurück auf frühere Zeiten. Bevor die Straße in den 1960er Jahren umfassend ausgebaut wurde, gab es hier Haarnadelkurven mit bis zu 17 % Steigung. Die Haarnadelkurven sind leider verschwunden, die kreative Namensschöpfung ist geblieben.

Balmoral Castle

Von Braemar geht es immer entlang am Fluss Dee. Auf der Strecke liegt somit auch Balmoral Castle, einer der offiziellen Sitze der britischen Königsfamilie. Da das Schloss der weitläufigen Königsfamilie vorbehalten ist, kann man hier nur den legendären Ballsaal besichtigen. In diesem Schloss verbrachte Königin Elisabeth II oft und mutmaßlich sehr gerne Ihre Sommerurlaube. Auf diesem Schloss verstarb sie auch am Nachmittag den 8. September 2022.

Die weitläufigen Außenanlagen können besichtigt werden und man kann sich gut vorstellen, wie schon unzählige Mitglieder der Königsfamilie hier am Fluss mit der Fliegenrute den Lachsen oder Forellen nachstellten.

Mein Tag endet im kleinen Örtchen Ballater. Dieser glänzt mit viktorianischer Architektur und ist eng verbunden mit den Royals, deren Schloss gleich um die Ecke liegt. Im ehemaligen Bahnhof kam ihrerzeit Queen Victoria an, wenn sie zu ihrem nur 14 Kilometer entfernten Schloss wollte. Ich nächtige hier ähnlich spektakulär in einer ehemaligen Kirche, die liebevoll mit einem Auge fürs Detail zu einem Bed & Breakfast umgebaut wurde (The Auld Kirk).

Lust auf mehr?

Hier findest du den zweiten Reisebericht meiner Schottlandreise. Oder wie wäre es stattdessen mit einem Ausflug in den Harz? Den passenden Artikel und die dazugehörigen GPX-Daten findet ihr hier: Harzreise erster Teil.