Motorradtour Schottland (3/4)

Entlang der Küste - Stürmische See und sanfte Hügel

Entlang der rauen Westküste Schottlands folge ich in diesem Teil oft der Küstenstraße NC500 (North Coast 500). Dabei mache ich Station in Gairloch, fahre über die Halbinsel Applecross und überquere den Bealach-na-Bà-Pass. Dann bleibe ich für zwei Nächte in Dornie nahe eines von Schottlands beliebtesten Fotomotiven: Eilean Donan Castle.

Abschied von Bettyhill

Der Aufbruch in Bettyhill fällt schwer. Ob man einen Ort in seinem Leben noch einmal wiedersehen wird, dass weiß man nie wirklich. Ich habe nun schon zum zweiten Mal das Glück diesen Ort besuchen zu dürfen. Ich stehe extra morgens um 6 Uhr auf, um mir vor dem Frühstück den Aussichtspunkt auf die Farr Bay anzuschauen, der mich schon vor fünf Jahren so beeindruckt hat. Schau dir gerne das Video, um zu verstehen was mich hier beeindruckt hat.

Nach dem Frühstück fahre ich auf der NC500 südwärts und genieße den Blick auf die raue zerklüftete Landschaft der Westküste. Strahlender Sonnenschein, Schäfchenwolken und spiegelglatte Seen begleiten mich heute.

Schottlands Wildnis

Wer die teils menschenleeren Gegenden in Schottland sieht, könnte meinen, dies sei unberührte Natur. Leider könnte man kaum falscher liegen. „Caledonia“, die lateinische Bezeichnung der Römer für Schottland, heißt so viel wie Wald auf den Höhen. Das lässt schon erahnen, dass es hier einmal ganz anders ausgesehen hat. Schon seit der Steinzeit siedeln hier Menschen und die holzten im großen Maßstab die gigantischen Waldflächen ab, um Feuerholz zu gewinnen, Holzkohle zu produzieren, Eisen zu verarbeiten oder ganze Schiffsflotten zu bauen.

Die weiten Steppen, die mit Heide oder gelbem Stechginstern bewachsen sind, werden von den zahllosen Schafen und hohen Rotwildbeständen weitgehend von Bäumen freigehalten, da jeder aufkeimende Baum umgehend gefressen wird. Die hohe Dichte an kapitalen Hirschen ist zudem auch kein Zeichen für eine intakte Natur. Sie werden hier herangezüchtet für den äußerst lukrativen Jagdtourismus.

Dennoch gibt es auch starke Naturschutzbemühungen der Schotten in Nationalparks die verbliebenen Baum- und Wildtierbestände zu schützen und auszubauen. Die Artenvielfalt rund um Steinadler, Moorhuhn, Otter und Wildkatze und Co. soll so eine Zukunft ermöglicht werden. Auch um die Gewässer ist es vergleichsweise gut bestellt: Schottland zählt 200 Lachsflüsse, die zum größten Teil als unverschmutzt gelten.

llt Chranaidh Waterfall

Der auch als „Wailing Widow Falls“ bekannte Wasserfall ist nicht weit entfernt von der NC500 und kann nach einem kurzen Fußweg von unten oder oben betrachtet werden. Je nach Wetter kann der Weg aber eine kleine Rutschpartie werden. Trittsicherheit ist in jedem Fall empfehlenswert.

Der 30 Meter hohe Wasserfall verdankt seinen Beinamen einer Legende. Demnach stürzte ein Jäger bei nebligem Wetter hier in den Tod und seine Leiche wurde von seiner Frau hier entdeckt, eben der weinenden Witwe.

Motorradtour Schottland: Für Anfänger geeignet?

Das Motorradfahren hier empfinde ich übrigens meist als äußerst meditativ und ich kann Schottland auch Motorradanfängern als Reiseziel empfehlen. Die Straßen sind oft gut ausgebaut und der Straßenbelag ist meist sehr rau und auch bei Nässe entsprechend griffig.

Dazu kommt, dass man nicht andauernd auf sein Navigationssystem schauen muss. Gerade in den Highlands gibt es oft gar nicht so viele Abbiegemöglichkeiten, dass man aus Versehen mal eine verpassen könnte.

Die Single Track Roads, also die einspurigen Straßen sind oft ein Zeichen dafür, dass es Gott sei Dank nicht so viel Verkehr gibt. Ist doch Mal jemand vor oder auch hinter einem, der eine andere Reisegeschwindigkeit bevorzugt, nutzt man die „Passing Places“. Als Motorradfahrer wird man meist an so einem Ausweichpunkt von vor einem fahrenden Fahrzeug vorbei gewunken. Habe ich jemandem im Rückspiegel, der es eiliger hat, halte ich kurz an einem „Passing Place“ und winken ihn oder sie vorbei.

Kommen sich zwei Fahrzeuge entgegen, wartet der, der am nächsten an einem „Passing Place“ dran ist. Oft warten Autos, Lastwagen und Camper aber auch und signalisieren einem auf dem Motorrad, dass man weiterfahren kann und sie einen durchlassen.

Beim Thema Linksverkehr kann man schwer pauschalisieren. Ich komme mit dem Wechsel auf den Linksverkehr meist gut klar. Mit dem Motorrad nochmal deutlich besser als mit dem Auto.

Etwas schwieriger sind der Stadtverkehr und die vielen Kreisverkehre hier. Insgesamt fahren die Einheimischen zuvorkommend und verzeihen Ausländern auch mal ihre Unerfahrenheit und gewähren Vorfahrt, wo man keine hat.

Häufiger, als dass ich mich im Linksverkehr vertue, passiert mir das, wenn ich zurück in Deutschland bin. In einem unkonzentrierten Moment muss ich kurz am Kreisverkehr überlegen, wie rum ich nun hineinfahren muss.

In Gairloch liegt mein Hotel noch näher am Meer als schon in Bettyhill. Ich muss nur einmal die Straßenseite wechseln. Das Hotel ist deutlich darauf ausgelegt, die Urlauber in organisierten Busreisen abzufertigen, aber das tut der Qualität keinen Abbruch. Einfach an der Rezeption nach den Essenszeiten der Reisegruppen erkundigen und diese dann im hoteleigenen Restaurant vermeiden, und man hat Ruhe und Frieden.

Am nächsten Tag geht es für einen kurzen Stopp an die schottischen Victoria Falls, nicht zu verwechseln mit ihrem großen Vorbild in Afrika. Die Victoria Wasserfälle des Sambesi an der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia gehören zum Weltnaturerbe der UNESCO und dürften nochmal deutlich beeindruckender sein. Immerhin gibt es eine thematische Verbindung: Die Wasserfälle in Afrika wurden von einem Schotten für die Europäer entdeckt, dem Missionar und Afrikareisenden David Livingstone. Nach ihm benannt ist auch die Stadt, die auf der Seite von Sambia an den Wasserfällen liegt.

Applecross und der Bealach-na-Bà-Pass

Eines der Ziele, das die meisten Schottland-Reisenden auf der Liste haben, ist sicherlich die Halbinsel Applecross. Dort, wo der Fluss Applecross in die Applecross-Bucht mündet und wo die meisten Leute dann einfach an einer Häuserreihe an der Shore Street halten, fragt sich vielleicht mancher: Was ist denn nun Applecross und was das hier alles mit Äpfeln zu tun?

Nun, es ist kompliziert: Eigentlich wird eben die gesamte Halbinsel Applecross genannt. Der Name wird heute häufig für die kleine Siedlung direkt am Wasser benutzt. Der Name ist schon rund 1300 Jahre alt und leitet sich vom piktischen Namen“ Aporcrosan“ ab. Das bedeutet wohl so viel wie „Zusammenfluss des [Fluss] Crossan“. Er hat also nichts mit Äpfeln zu tun.

Bis ins frühe 20. Jahrhundert war Applecross nur per Boot erreichbar. Später über die legändere Bealach-na-Bà-Passstraße, die damals zu einer der schwierigsten Straßen Schottlands zählte. Über den Pass fahre ich auch, aber ich komme zuerst von Norden von der Küstenstraße über Torridon. 

Die Häuserreihe an der Küste selbst ist einigermaßen unspektakulär, aber wegen ihrer berühmten Lage ist die Gastronomie gut besucht. Auch ich kann nicht anders und stelle mich an für einen Kaffee und einen klebrig süßen Brownie.

Anschließend verlasse ich die Applecross Halbinsel über die berühmt berüchtigte Bealach-na-Bà-Passstraße. Bealach-na-Bà heißt dabei so viel wie Viehpass und steigt auf 626 Meter an. Sowohl was die Höhe anbelangt als auch die Anzahl der Serpentinen, kann es der Pass lange nicht mit den Alpenpässen aufnehmen. Trotzdem sind die baumlose Landschaft und die Aussicht einen Blick wert.

Eilean Donan Castle

Der Tourtag und dieser dritte Reisebericht enden für mich am Eilean Donan Castle beziehungsweise im nahegelegenen Dornie, wo ich zwei Nächste bleiben werde.

Eilean Donan Castle ist sicher eines der meistfotografierten Schlösser in Schottland und ganz Großbritannien. Strategisch günstig liegt es an drei Seen auf einem Felsen, der eigentlich nur bei Ebbe erreichbar war. Heute kommt man auch bei Flut über eine steinerne Brücke trockenen Fußes zum Schloss. Ich genehmige mir hier eine Besichtigung, einen Cappucino und ein Stück saftigen Karottenkuchen im Visitor Center, bevor ich meine Unterkunft beziehe.

Nachdem das Schloss selbst für Besucher geschlossen hat, komme ich noch einmal her, um den Anblick in Ruhe zu genießen. Nach den offiziellen Öffnungszeiten kommt man nämlich nicht mehr in das Schloss, aber sehr wohl auf die kleine Insel, auf der das Schloss steht und das ist wirklich empfehlenswert. Nur sehr wenige Menschen sind dann hier und man kann diesen schönen Platz richtig genießen. Es sei denn, es ist windstill. Dann teilt man sich diese Kulisse mit Milliarden von Midges. Diese kaum zwei Millimeter großen Mücken beißen einen zur Verzweiflung, also unbedingt Insektenschutz der Wahl auch mit ins Schottland-Reisegepäck!

Eilean Donan Castle ist der Sitz des Clan McCrae. Die Ursprünge der Burg stehen hier schon seit über 800 Jahren. So wie sie heute dort steht, wurde sie erst im 20. Jahrhundert wieder hergestellt von den McCrae’s. Die Burg ist wahrscheinlich dem ein oder anderen von euch bekannt aus dem Film „Highlander“ oder auch aus James-Bond „Die Welt ist nicht genug“ mit Pierce Brosnan als James Bond.

Im nächsten und letzten Teil meines Reiseberichtes geht dann auf die Insel Skye und langsam aber sicher heimwärts. Bevor ich auf die Fähre rolle, mache ich noch Station in Oban und Glasgow: Schaut also gerne wieder vorbei!

Lust auf mehr?

Hier geht es zum vierten und letzten Teil zu meiner Motorradtour durch Schottland. Schon jetzt genug von Schottland? Wie wäre es dann mit einem Ausflug ins Weserbergland? Den passenden Artikel und die dazugehörigen GPX-Daten findet ihr hier: Auf den Spuren der Weserrenaissance (1. Teil)